Cannabis-Wissen
Eine kurze Geschichte von medizinischem Cannabis
Das Endocannabinoidsystem und der menschliche Körper
2737 v. Chr.
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Bereits die Chinesen preisen Cannabis für den medizinischen Einsatz in ihrer Literatur , wobei sie der Pflanze entzündungshemmende Wirkungen und günstige Eigenschaften bei Rheuma zuschreiben.
1850
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Cannabis wird ins US-amerikanische Arzneibuch „United States Pharmacopeia“ aufgenommen und bei Krankheiten wie Neuralgien (Nervenschmerzen), Gicht und Krampfanfällen als nützlich aufgeführt.
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1970
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Das US-amerikanische Gesetz „US Controlled Substances Act” stuft Marihuana als “Klasse-1-Droge” ein, vergleichbar mit Heroin und LSD in puncto Sucht- und Missbrauchspotenzial.
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1988
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Wissenschaftler entdecken den endogenen (internen) Cannabinoidrezeptor CB1 im menschlichen Körper. Wenige Jahre später wird CB2 entdeckt. Diese Rezeptoren halfen, das intern gesteuerte Cannabinoidsystem, das Endocannabinoidsystem, verstehen zu lernen.
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1996
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Kalifornien ist der erste US-Bundesstaat, der die Nutzung der Cannabispflanze für medizinische Zwecke unter ärztlicher Aufsicht legalisiert (sog. „Compassionate Use Act“).
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2019
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Die neuseeländische Regierung erlässt ein Gesetz, das den Zugang zu Medizinalcannabis erleichtert. Das „Medicinal Cannabis Scheme” erlaubt per Lizenz den inländischen Anbau und die Herstellung von medizinischen Cannabisprodukten und formuliert Qualitätsstandards für die Produkte und alle Produktionsstufen. Seit April 2020 dürfen Allgemeinmediziner in Neuseeland Medizinalcannabis verschreiben.
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2020
In den USA ist Cannabis mittlerweile in 33 US-Bundesstaaten und dem District of Colombia legalisiert. Auf föderaler Ebene hat die US-amerikanische Drogenvollzugsbehörde „Drug Enforcement Agency“ Cannabis jedoch nach wie vor als „Klasse-1-Droge“ eingestuft.
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Der menschliche Körper besteht aus einer Reihe von Systemen. Bekannt sind z.B. das Nervensystem, das Reproduktionssystem, das Verdauungssystem und das Atmungssystem. Das Endocannabinoidsystem (ECS) ist vielen jedoch unbekannt. Die Hauptfunktion dieses Systems besteht in der Regulierung der Körperflüssigkeiten.
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Das ECS regelt im menschlichen Körper das Gleichgewicht und die Stabilität der Lebensfunktionen – genannt Homöostase – und spielt eine wichtige Rolle bei den Nerven- und Immunzellenfunktionen. Beide sind wichtige Faktoren beim Schmerzempfinden.
Das Endocannabinoidsystem besteht aus drei Komponenten:
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Cannabinoidrezeptoren CB1 und CB2
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endogene Cannabinoide (die Cannabinoide, die der Körper selbst herstellt)
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Enzyme, die die Aufspaltung und Nutzung von Cannabinoiden erleichtern
Cannabinoidrezeptoren befinden sich im gesamten Körper. Sie bestimmen, wie sich Cannabinoide auf den Körper auswirken.
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CB1-Rezeptoren befinden sich primär im zentralen Nervensystem, das die Nerven des Rückenmarks und des Gehirns umfasst und das Schmerzempfinden des Menschen regelt. CB1-Rezeptoren spielen ferner eine wichtige Rolle bei der Schmerzmeldung vom Rückenmark zum Gehirn. Auf physiologischer Ebene steuern CB1-Rezeptoren die Gefühle, das Gedächtnis, Ausführungsfunktionen und Belohnungseffekte. CB1 ist der Rezeptor, der vorrangig für psychotrope Effekte von Cannabis verantwortlich ist.
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CB2-Rezeptoren spielen über ihre Funktion als Immunantwort des Körpers eine wichtige Rolle bei Schmerzen. Sie wirken primär entzündungshemmend und weisen auch schmerzstillende und schmerzlindernde Eigenschaften auf. Diese Rezeptoren werden sowohl in Immunzellen, peripheren (äußeren) Gewebeschichten als auch im zentralen Nervensystem exprimiert – aber in viel kleinerer Menge als bei CB1-Rezeptoren.
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Cannabis verfügt über exogene bzw. externe Cannabinoide wie THC und CBD. THC wirkt direkt auf die CB1- und CB2-Rezeptoren, allerdings nicht mit der gleichen Präzision wie die Endocannabinoide Anandamide und 2-Arachidonoylglycerol - chemische Botenstoffe, die regeln, wie der Körper auf Schmerzen und Entzündungen reagiert und welche Stimmungen und Gefühle er zeigt.
Wissenschaftler sind überzeugt, dass das Endocannabinoidsystem des menschlichen Körpers Mängel aufweisen kann und daher unterstützt werden muss – ähnlich wie bei Eisen- oder Vitaminmangel. Zudem vertreten mehr und mehr Fachleute die Ansicht, dass die Moleküle in Cannabis mit dem ECS interagieren und so eine Reihe physikalisch und psychologisch positiver Gesundheitseffekte auslösen können.
Medizinisches Cannabis in Neuseeland
Hunderte von klinischen Studien aus der ganzen Welt haben zahlreiche Vorteile dieses Naturprodukts aufgezeigt. So zeigten sich bei der Behandlung mit medizinischem Cannabis u. a. Erfolge bei folgenden Krankheitsbildern:
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Autismus
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Autoimmun- und Entzündungsstörungen
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Angst
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Bipolare affektive Störung
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Krebs
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Morbus Crohn
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Chronischer Schmerz
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Demenz
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Depression
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Fibromyalgie
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Glaukom
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Reizdarmsyndrom (IBS)
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Lupus
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Multiple Sklerose (MS)
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Neuropathischer Schmerz
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Arthrose
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Schmerzen, die typischerweise mit Opioiden behandelt werden
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Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
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Rheumatoide Arthritis
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Anfälle
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Schwere Übelkeit
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Schlafstörungen
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Schlaganfall
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Behandlungsresistente Epilepsie
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FAQs
Gibt es Fragen?
In verschiedenen Ländern ändern sich zur Zeit gesetzliche Rahmenbedingungen und die gesellschaftliche Haltung zum Thema Medizinalcannabis. Das Thema ist allerdings für viele Menschen weiterhin mit vielen Missverständnissen und offenen Fragen verbunden - einige davon möchten wir im Folgenden beantworten.
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Darf man während einer Cannabistherapie Auto fahren?Bei der ärztlich verordneten und bestimmungsgemäßen Anwendung von Cannabis ist es keine dem Straßenverkehrsgesetz widersprechende Ordnungswidrigkeit, wenn sich THC im Blut nachweisen lässt. Da durch THC die Leistungsfähigkeit und Reaktionsschnelle beeinflusst werden können, kann jedoch die Fahreignung eingeschränkt sein. Aus diesem Grund muss der:die Ärzt:in beurteilen, ob ein:e Patient:in unter Behandlung mit Cannabistherapeutika fahrtüchtig ist. Patient:innen sind dafür verantwortlich, vor jedem Fahrtantritt die eigene Reaktionsfähigkeit zu beurteilen und bei Schwindel, Benommenheit, Schläfrigkeit oder jeglichen Sinneseinschränkungen nicht Auto zu fahren.
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Ist man dann ständig „hoch“?Cannabis wird für den medizinischen Einsatz so dosiert, dass ein Rauschzustand in aller Regel vermieden werden kann. Durch die geringe Anfangsdosis gewöhnen sich Patient:innen langsam an die Behandlung und sind so in aller Regel weder im Denken noch im Handeln eingeschränkt. Tritt regelmäßig ein Rauschzustand ein, sollte die korrekte Dosiseinstellung durch die behandelnde Ärztin/den behandelnden Arzt überprüft werden.
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Muss ich Cannabis rauchen, um von der Therapie zu profitieren?Das Rauchen oder das Verdampfen von Cannabisblüten stellen mögliche Applikationswege dar. Darüber hinaus kann Cannabis für medizinische Zwecke in verschiedenen Formen (Dronabinol-Kapseln, ölige Dronabinol-Tropfen, ölige Cannabisölharz-Lösung) insbesondere oral und peroral konsumiert werden. Auch Cannabisblüten können nach der Aufbereitung peroral eingenommen werden. Die Behandlerin/der Behandler und die zu behandelnde Person entscheiden gemeinsam, welche Darreichungsform zum Einstieg als geeignet erscheint. Anschließend müssen teilweise unterschiedliche Applikationsformen ausgetestet werden, um für eine: Patient:in sterben optimale Darreichung zu identifizieren.
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Verändert die Behandlung mit medizinischem Cannabis das Gehirn oder die Persönlichkeit?Es liegen aktuell noch kaum valide Forschungsergebnisse zum Langzeitkonsum von medizinischem Cannabis vor. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat in seinem wissenschaftlichen Bericht „Cannabis: Potential und Risiken. Eine wissenschaftliche Analyse (CaPRis)“ aus dem Jahr 2015 eine Bewertung der Nebenwirkungen von Cannabisarzneimitteln vorgenommen. Nach Analyse des BMG kann es beim Einsatz von medizinischem Cannabis gehäuft zu Nebenwirkungen kommen, diese wurden jedoch als vorübergehend und nicht schwerwiegend betroffen.
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Kann man Cannabistherapeutika mit in den Urlaub nehmen?Innerhalb des Schengen-Raums können alle ärztlich verordneten Betäubungsmittel mitgenommen werden, Patient:innen benötigt lediglich eine ärztliche Bescheinigung, die außerdem von der obersten Landesgesundheitsbehörde bestätigt sein muss. Die Bescheinigung gilt einen Monat. Außerhalb des Schengen-Raums sollten sich Patienten:innen über die jeweilige nationale Rechtslage – auch in Transitländern inklusive Transitflughäfen! – informieren.